Geschichte des St. Jakobi Schützenvereines Rhede e.V. von 1552

Erklärung

In den folgenden Abschnitten soll die Geschichte des St. Jakobischützenvereines Rhede beschrieben werden. Klicken SIe hierbei einfach auf die einzelnen Überschriften um die jeweiligen Abschnitte zu lesen.

Zeit von 1552 - 1862

Unter den zahllosen Vereinsfeiern, die das Sommerhalbjahr mit sich bringt, nehmen die Schützenfeste einen besonderen Rang ein. Sie sind auch heute noch - zumindest auf dem Lande - im besten Sinne Volksfeste; denn an ihnen nimmt oftmals die gesamte Bevölkerung teil. Diese Feste, die bereits von unseren Vorfahren in gleicher oder ähnlicher Weise gefeiert wur-den, müssen doch tief im Volke wurzeln, und man kann es durchaus verstehen, wenn ein alter Verein mit Stolz sein 200. oder gar 300. Stiftungsfest ankündigt. Diese großen Zahlen, die der Vorstand entweder in gutem Glauben auf sein Programm druckt oder auch wohl nur hin-schreibt, um in den eigenen Reihen eine größere Feststimmung zu erzeugen, sind meistens unrichtig; denn in unserer Gegend dürfte wohl kaum ein Schützenverein in der Lage sein, sein genaues Gründungsdatum anzugeben. Die "Entdecker" der angeblichen Gründungsjahre wissen gar nicht, dass ihr Verein viel älter ist, als sie es selbst für möglich halten. Vielleicht hat er schon ein halbes Jahrtausend erlebt. So werden beispielsweise die Adrians-, Sebastians-, Georgius- und Antoniusschützen bereits zwischen 1400 und 1500 in den Akten der Stadt Bocholt erwähnt.

 

Ebenso alt dürften auch viele Schützengesellschaften auf dem Lande sein. Das 14. und 15. Jahrhundert war eine recht unruhige Zeit; eine Fehde folgte der anderen, und gerade unser westliches Münsterland mit seinen zahlreichen, mehr oder weniger großen Herrschaften war eine sehr unsichere Gegend. So schlossen sich denn in den Städten die Bürger und auf dem Lande die Bauern zusammen. Sie übten sich im Waffengebrauch und halfen sich gegenseitig, wenn Räuberbanden und anderes Gesindel Haus und Hof bedrohten.

 

Auch in der damaligen Bauerschaft Altrhede entstanden in alter Zeit zwei Schützenvereine, die St. Jakobi- und die St. Johannis-Schütterei, deren Rechnungsbücher bis ins 17. Jh. zurückgehen. Neuerdings lässt sich sogar ein weiterer Schützenverein, die Antonius-Schütterei, nachweisen, deren kürzlich aufgefundenes Rechnungsbuch mit dem Jahre 1782 beginnt. Eine genaue Untersuchung dieser auch Pfingst-Schützengesellschaft genannten Gilde und ihrer Stellung im Gesamtrahmen der Rheder Schützenvereine steht noch aus.

 

Von der St. Jakobus-Schütterei sind zwei in Schweinsleder gebundene Bücher vorhanden. Das ältere behandelt die Vereinsgeschichte von 1652 bis 1744, das zweite umfasst die Chronik bis zum Jahre 1862. Das im Laufe der Jahrhunderte stark beschädigte ältere Vereinsbuch zeigt auf dem schweinsledernen Titelblatt das kolorierte Bild des hl. Jakobus d. Älteren. Die ersten sieben Blätter dieses Schützenbuches, die die Vereinsgeschichte der Jahre 1652 bis 1662 enthielten, wurden am 29. Juli 1792 von dem damaligen Notar Henricus Wilhelmus Egging "von stück zu stück beisamen oder aneinander geleget" und "von Wort zu Wort abgeschrieben". Die Genauigkeit dieser Abschrift steht außer Zweifel. Irritiert durch die damals stark zerrissenen und zum Teil fast unleserlichen Blätter schrieb der genannte Egging fälschlicherweise auf das Anfangsblatt: "Schütten Brüder anfang ao 1552". Das erste Jahr im Rechnungsbuch ist aber zweifellos 1652, wie aus einem Vergleich des Inhaltes der Abschrift mit den folgenden Seiten des Buches hervorgeht.

 

Die Altrheder Jakobi-Schütterei ist aber älter als die erhaltenen Rechnungsbücher; das ergibt sich aus einer Notiz aus dem Jahre 1656, wonach "das Klodt Geld auf ein neues Blat gesat" wurde. Und im Jahre 1658 heißt es, dass die St. Jakobi-Schütten ein gewisses Kapital seit "alters her" besaßen. Dass gerade um 1650 neue Rechnungsbücher angelegt wurden, mag darin begründet sein, dass die alten Schützenbücher und -listen während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) untergegangen waren. Während dieses unseligen Krieges, als unsere Gegend dauernd unter Kriegszügen zu leiden hatte, die Hessen 15 Jahre hindurch Stadt und Land besetzt hielten, war an die Abhaltung der altgewohnten Schützenfeste kaum zu denken. Erst nach dem Abzug der feindlichen Truppen, der in den Jahren 1650 bis 1652 erfolgte, konnte man wieder frei aufatmen. Jetzt lebten überall die neugegründeten Schützenvereine wieder auf. Und dass man die alte Lebensfreude wiedergefunden hatte, zeigt die wachsende Zahl von Schützenbrüdern. Enthält die Namensliste des Jahre 1652 noch 24 Mitglieder, so nennt ein vermutlich 1660 angefertigtes "Register derer, so in die alt Rheder Schuttreyes horen" bereits 58 Schützenbrüder. Nicht wenige der hier erwähnten Familiennamen sind auch heute noch in Rhede anzutreffen. Das Register enthält folgende Namen, die in der Schreibweise jener Zeit aufgeführt sind: Carll Henrich von Merfelt, Rudolf von Münster, Diederick von Merfelt, Jan Adolf von Butzau, Johan Volnes (?), Henrich Köper, Peter zum Brügge, Hermann zum Paße, Lucas Brands, Herman Schuling, Henrich Hüning in Rhede, Johan Fran-ken, Bernd up Geßing, Wessel Harbering, Willem Harberding, Hindrich Nyewerde Junior, Labert Gißing, Gerhard zum Nyenhuß, Johan zum Tünte, Jan Rottgering, Jan zum Klote, Hin-derick Melfößing genant Voß Senior, Johan Lensing, Gerd zum Klote, Clas Wolberding, Hen-rich Bengefort Junior, Gerhard Nyewerde, Gerhard Rotterding, Martin Franken, Henrich Wenning, Herman Franken Senior, Gerhard Gildehuß, Derck Medeman, Jan Homer, Henrich Homer, Henrich Beßeling, Bernd up Beßeling, Johan Benning, Sander Bauhauß, Bernd Hu-ning in alt Rhede, Henrich Holtwick, Johan Hüninck, Joannes Herkingh, Johan Zum Hüskes, Bernd Bößing, Lubert Volckshuß, Albertt Vinckes, Rotger Brandares, Henrich von Merfeltt, Dietherich von Merfeltt, Henrich Bouinck, Johan Voß, Berntt Schnatt od. Heßing, Herman von Merfeltt, Johan Henrich von Merfeltt, Henrich Bengefortt Junior, Johan Vockhauß und Dietherich Schuling.

 

Interessant ist die Verwaltung des Vereinsvermögens, das an die Mitglieder verteilt wurde. Die Schützenbrüder waren entweder Klotbrüder oder freie Brüder. Dazu Folgendes: Die meisten Schützenvereine besaßen kleine Kapitalien, z. B. die St. Jakobi-Schütterei 810 Taler, die Johannis-Schütterei 147 ½ Taler, die in sogenannte Klote zu je 5 Talern geteilt und nachfol-gend an die einzelnen Schützenbrüder verlost wurden. Diese wurden Klotbrüder genannt, die freien Brüder besaßen keinen Klot. Der Zweck der Klotverlosung war - da es noch keine Geldinstitute gab - die sichere Unterbringung des Vereinskapitals bei den Mitgliedern. Jeder Klotbruder hatte für den Empfang seines Klots eine Sicherheit zu leisten, was durch die Gestellung von Bürgen geschah. So erhielt z. B. der Klotbruder Herman Wenning im Jahre 1656 einen Klot zu 5 Talern, dessen Sicherheit Henrich Heßeling verbürgte. Zwei Klote zu 10 Talern erhielt Hend. Bösing, dessen Bürge Gerd Geßing wurde.

 

Für jeden Klot hatten die Klotbrüder Zinsen zu zahlen. Brachte ein Klotbruder seinen Klot ein, d. h. zahlte er die 5 oder gar 10 Taler zurück, so wurde dieses Kapital unter die freien Brüder verlost. Die Einnahmen der Schütterei bestanden zu jener Zeit aus Aufnahmegebühren, den sog. "Einkaufungsgeldern", und den Klotzinsen. Außerdem musste jeder neue Schützenbruder an den Schriftführer einige Stüber als Schreibgebühr zahlen. Da die meisten Schützenbrüder des Schreibens unkundig waren, oblag die Führung der Schützenbücher in der Regel einem "ausgebildeten" Manne. Erwähnt werden in diesem Zusammenhang u. a. der Vogt Billig, der Notar Boerbank, der Notar Egging.

 

Jedes Schützenfest wurde nach einem alten, genau festgelegten Brauch abgehalten. Gefeiert wurde an zwei Tagen; doch war damit keineswegs immer das "Königsschießen" verbunden. So wurde z. B. in den Jahren von 1652 bis 1700 in der St. Jakobi-Schütterei insgesamt 35-mal "gezehret", aber nur zehnmal fand ein Schützenfest mit Königsschießen statt.

 

Die Vorbereitung und Organisation des jeweiligen Schützenfestes lagen in den Händen von zwei Gildemeistern. Aus der langen Liste seien erwähnt für das Jahr 1658 Henrich Bengfort und Henrich Beßling, für das Jahr 1729 Johan Francken und Johan Haberding. Die jeweiligen Gildemeister beschafften das erforderliche Bier, kassierten die Gelder und verwahrten die Vogelstange. Am Hause eines der Gildemeister fand auch das jährliche Schützenfest statt, so z. B. 1736, als "ahn Joan Derck Frenckings behausung" gefeiert wurde.

 

Das Schützenfest wurde zu jener Zeit meistens am Tage des Schützenpatrons St. Jakobus (25. Juli) abgehalten. Es begann morgens mit einer Seelenmesse für die verstorbenen Mitglieder in der St.-Gudula-Pfarrkirche. Insgesamt wurde an zwei Tagen gefeiert. Am ersten Tag "umb zwey uhren nachmithag" traten die Schützen zum Schießen an. Jeder hatte unaufgefordert und "mit einem gueten Rhoer, satsam Kruedt und Lohdt" (d. h. mit einem guten Gewehr und genügend Pulver und Kugeln) zu erscheinen. Zuwiderhandelnde mussten eine Vierteltonne Bier oder den Gegenwert in Geld als Strafe zahlen. Wer verhindert war, hatte einen Vertreter zu entsenden, der allen Schützenbrüdern genehm war. Der König trug als Zeichen seiner Würde einen besonderen Königshut. Er selbst gab dafür eine Tonne Bier. Gemäß einem noch heute gepflegten Brauch fügte der König der Schützenkette ein weiteres silbernes Schildchen mit seinem Namen - später auch dem der Königin - bei. Die Schützenketten wurden in früher Zeit gewöhnlich von adeligen Gönnern gestiftet. So hat z. B. nach der Überlieferung der St. Johannis-Schützenverein Altrhede von dem Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen im Jahre 1652 ein wertvolles Stück münsterischer Schmiedearbeit in Form einer Armbrust mit An-hängsel als Geschenk erhalten. Auf ähnliche Weise; d. h. durch Dotationen von Adeligen, dürfte auch das um das Jahr 1700 sich auf rund 800 Taler belaufende Vereinsvermögen entstanden sein.

 

Am zweiten Tag des Schützenfestes fand "Gelaog", d. h. Rechnungsablage mit anschließender Feier, statt. Es wurden die neuen Gildemeister bestellt, die auch die Rechnungsbücher in Verwahrung nahmen. An beiden Tagen wurde bis spät in die Nacht hinein gezecht. Ein "Spielmann" spielte zum Tanze auf, und zwei "Schenker" sorgten für die Bedienung der Festgesellschaft. Am Schützenfest konnten auch Fremde teilnehmen; sie hatten aber dafür ein ziemlich hohes Eintrittsgeld zu bezahlen. Die Schützen selbst "zehrten" frei.

 

Die Ausgaben für den Königshut, die Getränke, den Spielmann und die Schenker wurden durch die Klotzinsen, das sog. Einkaufungsgeld und das Fremdengeld gedeckt.

 

In den ersten Jahrzehnten nach der Neugründung kamen die Schützen fast jedes Jahr zusammen. Lediglich für die Jahre 1699 bis einschließlich 1702 finden sich in den Schützenbüchern keine Vermerke über irgendwelche Zusammenkünfte. Von 1703 bis 1730 wurde mit großer Regelmäßigkeit "gezehrt", wobei man von 1712 an entweder nach dem Vogel oder auch nach der Scheibe schoss. Später erlahmte das Interesse. Lediglich 1736, 1738 und 1744 wurde nochmals gefeiert. Mit den Aufzeichnungen des Jahres 1744 schließt übrigens das älteste Rechnungsbuch ab.

 

Seit 1747 erhielt das Vereinsleben neue Impulse. Ausführliche Aufzeichnungen finden sich in den Büchern. Schützenfeste wurden wieder jährlich veranstaltet. 1748 - ein Jahr später als die Johannis-Schützen - begann man auch in der St. Jakobi-Schütterei an beiden Festtagen zu schießen. Am ersten Tage nahmen nur die Mitglieder daran teil; am zweiten Tage durften auch die Junggesellen aus dem Familien der Schützenbrüder um den Königshut schießen. Wie der König des ersten Tages, so musste auch der König des zweiten Tages eine Tonne Bier bezahlen.

 

In den Jahren 1756 bis 1763 fanden keine Schützenfeste statt; damals tobte der Siebenjährige Krieg, der auch unsere Gegend in Mitleidenschaft zog. Das Münsterland wurde wiederholt von französischen und preußischen Truppen schwer heimgesucht, besonders in den Jahren 1758 und 1759. Das Jahr 1763 brachte zwar endlich den heißersehnten Frieden, und das alte Schützenfest lebte auch wieder auf, aber es wurde immer seltener gefeiert. In jener Zeit tau-chen zum ersten Male militärische Dienstgrade als Bezeichnungen für bestimmte Funktionen innerhalb des Schützenvereins auf. In der St. Jakobi-Schütterei gab es einen Kapitän, Fähn-rich, Leutnant und Korporal. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wechselten mehrfach die Bezeichnungen; sie passten sich denjenigen an, die im preußischen Heere üblich waren.

 

Ab 1778 fanden die Schützenfeste nur noch in sehr unregelmäßiger Folge statt. Bis 1798 wurde lediglich fünfmal gefeiert. Um die damalige Jahrhundertwende vollzogen sich große Veränderungen in der politischen Landschaft Europas. Napoleon wurde unumschränkter Herrscher. Im Frieden von Luneville (1801) erhielt Frankreich das ganze linke Rheinufer. Das Fürstbistum Münster verschwand 1803 von der politischen Landkarte. Von Napoleons Gnaden entstand das Fürstentum Salm aus den ehemaligen Kreisen Ahaus und Borken sowie der Herrschaft Anholt. Die Bewohner Rhedes wurden Untertanen der Fürsten Salm-Salm und Salm-Kyrburg, aber nur für kurze Zeit. Denn bereits 1810 verfügte Napoleon die Annektierung u. a. auch des Fürstentums Salm. Die Rheder waren nun Bürger Frankreichs.

1811 ordnete Napoleon anlässlich der Geburt seines Sohnes die Veranstaltung großer Freudenfeste an. In der Chronik des Schützenvereins heißt es "Anno 1811 den 26 ten May ist durch Publicanda dahier in der Kirche bekannt gemacht, daß das Fest der Geburt des Jungen Prinzen Napoleon, als König von Rom auf pfingstfest gefeyert werden soll - und alle Schüttenbrüder eine Zehrung mit Vogelschießen könte vorgenommen werden - worauf die Schüttenbrüder sich versammelt haben ..." So wurde denn auch tüchtig gefeiert, aber nur an einem Tag auf den Vogel geschossen.

 

In den letzten Jahren vor der Jahrhundertwende 1799/1800 waren die Kosten für die Schützenfeste immer mehr angestiegen. 1786 waren 29 1/5 Taler aufzuwenden, davon allein 18 Taler für die 5 ½ Tonne Bier. 1798 waren es bereits 42 1/3 Taler, 1804 55 1/3 Taler und 1810 sogar 69 ¼ Taler. Man war allerdings in der Gestaltung des Schützenfestes auch großzügiger geworden. Während man früher mit einem Spielmann ausgekommen war, ließ man jetzt drei oder gar vier Musikanten, z. B. Tambour, Flöter, Violinspieler und Klarinettist, zum Tanz und zur Unterhaltung aufspielen. Die Frauen, die die Ausschmückung des Festraumes übernommen hatten, wurden mit Kaffee und Schnaps bewirtet. Die Kasse übernahm auch die Kosten des Vogelschießens, wofür die Schützenbrüder das sog. "Gelagsgeld" bezahlen mussten und nicht mehr freigehalten wurden. Die Offiziersstellen wurden an den Meistbietenden vergeben.

 

Wie bereits erwähnt, stand die St. Jakobi-Schütterei nach dem Dreißígjährigen Krieg in großer Blüte. 1661 zählte sie 58 Mitglieder, weitere 15 ließen sich neu aufnehmen. Nicht alle stammten aus Altrhede, wenn auch der Verein als "Altrhedische Schütterei" bezeichnet wird. Zahlreiche Bewohner von Rhede, Vardingholt und Krechting gehörten der St. Jakobi-Schütterei an. Auch der gesamte Adel der Nachbarschaft zählte zu den Mitgliedern, so Karl Heinrich von Merfeld zu Dorbröcking, der Obristleutnant Rudolf von Münster zu Krechting, Dietrich von Merfeld, Johann Adolf von Butzau, Herr zu Winkelhausen, Heinrich von Merfeld zu Tenking, Johann Dietrich von Merfeld sowie Johann Hermann von Merfeld zu Dellebrüggen.

 

Vier Jahre später, 1665, waren die Verhältnisse nicht mehr so günstig; die Zahl der Mitglieder sank auf 36. Die Ursache dafür dürften Streitigkeiten wegen der Gildemeisterwahl gewesen sein. Man kann annehmen, dass seitdem die Gildemeister durch das Los (= per sortem) bestimmt wurden. Zum gleichen Zeitpunkt wurde das Schützenfest, das bisher Ende Juni (auf Johannis) oder Anfang Juli gefeiert worden war, auf das Namensfest des hl. Jakobus (25. Juli) verlegt. Interessant ist auch, dass die bisherige Bezeichnung "Altrhedisch" verschwindet, an-scheinend wuchs die Zahl der nicht aus Altrhede stammenden Mitglieder immer mehr an. Besonders das Dorf Rhede stellte viele Schützen, und es ist deshalb verständlich, dass der Verein allmählich eine Rheder Schützengesellschaft wurde.

 

1668 wurden die Satzungen neu formuliert. Insbesondere drohte man denen harte Strafen an, die durch Streitereien und Tätlichkeiten den Ablauf des Schützensfestes zu stören versuchten. Vielleicht ist dieses außergewöhnliche Vorgehen dem Einflusse des Tilman Bertram Rembscheid (Pfarrer von St. Gudula in Rhede von 1658 bis 1684) zuzuschreiben, dessen Name an der Spitze des damaligen Mitgliederverzeichnisses steht. Die Teilnahme an der Seelenmesse für die verstorbenen Schützenbrüder wurde zur Pflicht gemacht, wobei jedes Mitglied einen Stüber zu opfern hatte. Da aber trotzdem der Besuch der hl. Messe zu wünschen übrig ließ, wurde beschlossen, das sog. Opfergeld der allgemeinen Schützenkasse zu entnehmen.

 

Über die unpünktliche Bezahlung des Klotgeldes (Zinsen) gab es häufig Klagen. Obwohl jeder Klotbruder zwei Bürgen zu stellen hatte, kam die Schütterei nicht immer zu ihrem Geld. Als Entschuldigung mag man gelten lassen, dass die Klotzinsen sehr hoch waren und deshalb von den Klotbrüdern bzw. deren Bürgen oftmals nicht aufgebracht werden konnten. 1704 trug man diesem Umstand Rechnung und ermäßigte den Zins auf zwei Drittel des bisherigen Satzes. Die Zahlungsmoral scheint sich aber trotzdem nicht nachhaltig gebessert zu haben. So heißt es z. B. in einem Nachsatz zur Jahresrechnung 1729, dass Johan Nyehauß bereits seit vier Jahren und Hen. Bengfort seit zwei Jahren kein Interesse (= Zinsen) mehr bezahlt hätten.

 

Mit Beginn des 18. Jahrhunderts erfolgte offensichtlich eine Reaktivierung des Vereinslebens. Wie bereits ausgeführt, kamen von 1703 bis 1730 die Schützenbrüder fast Jahr für Jahr zusammen. Der Verein erlebte eine neue Hochblüte; aber man wurde auch großzügiger in Geld-dingen. Die Klotzinsen reichten immer weniger aus, um die bei den "Zehrungen" entstandenen Ausgaben zu decken. Vor allem der Bierverbrauch war öfters wesentlich größer als die Kasse bezahlen konnte. Es blieb dann wohl nichts anderes übrig, als einen halben oder gar ganzen Klot zur Bestreitung der "Zeche" mit heranzuziehen. 1738 waren von den ursprünglich 810 Talern nur noch 16 ¾ Klote im Werte von 11 Talern und 5 Stübern vorhanden.

 

Die Mitgliederzahl lag im 18. Jahrhundert im Durchschnitt bei 40 bis 50 Schützenbrüdern. 1716 und 1717 tat Goswin Henrich von Coevorden, als Herr bzw. Erbherr des Hauses Rhede bezeichnet, den Königsschuss. 1729 holte Bernhard Nyenwerde den Vogel zum dritten Male hintereinander von der Stange, nachdem er bereits 1727 und 1728 Schützenkönig gewesen war. Die Schützenbrüder zeigten sich großzügig: "Weilen Er zum dritten Mahl Koninck gewesen, haben ihm die Schuttenbrüder Versprochen zeit seines Lebens frey in der Schutterey und den Klot welche Er gehabt geschonken", d. h. er durfte seinen Klot als Eigentum behalten und von nun an ganz frei in der Schützengilde leben. 1750 war der König des ersten Tages Joan Henrich Venhus, ein junger "Gesell" im Alter von 15 Jahren. 1753 erwarb sich Joan Bernard Voß an beiden Tagen die Königswürde.

 

In der Folgezeit ging man wieder energisch gegen die eingerissenen Missstände vor. Die Gildemeister wurden aufgefordert, gerichtlich gegen säumige Zahler vorzugehen. Ferner wurde bestimmt, keinen Klot mehr zur Bezahlung der Zeche zu verwenden. Die Schützenbrüder wa-ren vielmehr gehalten, einen eventuellen Fehlbetrag aus ihrer eigenen Tasche zu ersetzen. 1747 wurden sogar drei neue Klote gemacht. Später rissen aber von neuem wieder Missbräuche ein. Die Gelage zogen sich bis tief in die Nacht hinein; auf den Straßen wurde nicht selten grober Unfug verübt. 1777 wurde deshalb festgesetzt, dass "allen und jeden, gesten und brüder der schütrey s. Jacobi sollen nicht lenger als 12 uhr des Nachts Zehren". Ausdrücklich wurde bestimmt, dass unbefugte Schießen im Dorf Rhede mit 12 Stübern Strafe geahndet werden sollte.

 

In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts setzte ein langsamer Verfall der St. Jakobi-Schütterei ein; von 1804 bis 1862 fanden nur noch 12 Schützenfeste statt. Aus dem Rechnungsbuch ist zwar zu ersehen, dass jedesmal tüchtig gefeiert wurde, das Leben im Verein begann aber immer mehr zu ersterben. "Überhaupt schien im Jahre 1862 die Gesellschaft im Wirrwarr zu sein", so schließt wenig schmeichelhaft der Chronist B. Harberding das zweitälteste Rechnungsbuch der St. Jakobi-Schütterei ab. Art und Ursache dieses "Wirrwarrs" werden jedoch schweigend übergangen.

Zeit von 1865 - 1892/1903

Mitte der sechziger Jahre des vor vorherigen Jahrhunderts begann ein neuer Abschnitt in der Geschichte des St. Jakobi-Schützenvereins. Nach dem scheinbaren Niedergang des Vereins im Jahre 1862 bildete sich schon drei Jahre später die sogenannte "Allgemeine Bürger-Schützen-Gesellschaft zu Rhede 1865", eine Schützenvereinigung, die man im historischen Rückblick als direkte Nachfolgerin der bisherigen St. Jakobi-Schütterei bezeichnen muss.

 

Die Ursachen, die zur Auflösung der St. Jakobi-Schütterei und zur Gründung der Allgemeinen Bürger-Schützen-Gesellschaft führten, sind nicht bekannt. Man kann aber wohl - wie der Rheder Historiker Wilhelm Hagedorn - davon ausgehen, dass zwei Schützengesellschaften - St. Jakobi und St. Johannis - für die einwohnermäßig kleine Bauerschaft Altrhede im Laufe der Zeit einfach zu viel geworden waren. Darüber hinaus hatten die Schützenbrüder aus dem Dorf Rhede nach und nach die Mehrheit in der St. Jakobi-Schütterei gewonnen und strebten nach Selbständigkeit. Was lag näher als die Gründung eines neuen Vereins, der anfangs nur Schützenbrüder aus dem Dorfe als Mitglieder aufnahm, auch wenn dieses in den Statuten nicht unmittelbar zum Ausdruck kam. Erst später wurde durch Satzungsänderung bestimmt, dass auch "Landleute" beitreten konnten. Es war ihnen jedoch nicht gestattet, Funktionen im Vorstand wahrzunehmen.

 

Mit großem Eifer begann die neue Schützen-Gesellschaft. Bei ihrer Gründung umfasste sie 163 namentlich aufgeführte Mitglieder, eine stattliche Zahl, wenn man berücksichtigt, dass im Dorf Rhede im Jahre 1864 nur 1629 Einwohner registriert waren. Die von einem provisorischen Festkomitee erstellten Statuten der Allgemeinen Bürger-Schützen-Gesellschaft wurden auf der ersten Mitgliederversammlung am 11. Juni 1865 "vorgelesen und als zweckmäßig erkannt", was die Mitglieder freilich nicht daran hinderte, in den folgenden Jahren ständig Änderungen und Ergänzungen der Satzung vorzunehmen.

 

Nach den ursprünglich verabschiedeten Statuten konnte "jeder moralische Bürger", sofern er das 18. Lebensjahr vollendet hatte, Mitglied des Schützenvereins werden. Die Leitung der Gesellschaft oblag dem Festkomitee (Vorstand), das aus einem Direktor und 12, später sogar 16 Vorstandsmitgliedern bestand. So gehörten z. B. 1867 zum Festkomitee folgende Personen: Albert Effing als Direktor, von 1862 bis 1881 Amtmann in Rhede; Johann Rößing als Oberst; Johann Epping als Major, Johann Umbach und Bernhard Pickert als Hauptleute; ferner Johann Reckers als Schrift- und Rechnungsführer; Heinrich Forge, Josef Tepasse, Anton Beiering, Meyer Ostberg, Johann Klötgen, Josef Grave, Josef Bölting, Johann Altemeyer, Wilhelm Wilting, Adolf Hams und Bernhard Wissing. Später wurde der Vorstand verkleinert, die Funktion des Direktors wurde nach dem Rücktritt von Amtmann Effing ab 1869 durch den jeweiligen Obersten wahrgenommen, und zwar von 1868 bis 1873 durch Johann Rößing, 1874 bis 1877 durch Johann Epping, 1878 bis 1885 durch Heinrich Forge und 1886 bis 1892 durch Johann Bösing.

 

Die Schützenkompanie wurde in 4 Züge eingeteilt. Die Offiziere losten darum, in welcher Reihenfolge die einzelnen Züge schossen. Während des Schießens waren die jeweiligen Zugführer und die übrigen "Avancirten" für die Ordnung im Zuge verantwortlich. Sie hatten vor allem aber darauf zu achten, dass während des Zuges zum Schießplatz kein geladenes Gewehr getragen wurde. Während des Schießens auf dem Schießplatz war es strengstens verboten, Schnaps auszuschenken. Aus Gründen der Sicherheit war es nur den Mitgliedern des Komitees, später auch bestimmten "Mannschaften" erlaubt, die Gewehre zu laden. Es dominierte der Grundsatz von Disziplin und Ordnung. In § 15 hieß es: "Während der Dauer des Festes ist jedes Mitglied verpflichtet, so viel (wie) möglich auf Ordnung zu halten. Derjenige, welcher Streitigkeiten sucht, wird zum erstenmal mit einer Strafe von 5 Sgr. (Silbergroschen) belegt, zum zweitenmal als Mitglied ausgeschlossen."

Das Schützenfest wurde an zwei Tagen veranstaltet: "Montags wird um 8 Uhr morgens angetreten, der Vogel zur Stange getragen, demnächst Tanz. Mittags 1 Uhr Zug zum Schießplatz, abends Tanz. Schluß 3 Uhr nachts. Dienstags 9 Uhr morgens Zug zum Scheibenschießplatz." Die beiden Festtage wurden frühmorgens jeweils mit drei Böllerschüssen eröffnet.

 

Genau festgelegt war die Kleiderordnung für das Komitee und Offizierskorps. Die Mitglieder des Komitees trugen schwarze Hüte, weiße Hosen, weiße Armbinden und - während des Umzuges - Handstöcke mit rotem Band, die Offiziere hingegen Steckhüte mit Federbusch, Epau-letten dem Rang entsprechend, Scherpen und Degen sowie weiße Hosen. Die Feldwebel und Fähnriche trugen ebenfalls Steckhüte mit Federbusch und weiße Hosen, dazu die ersteren einen Degen. Die Unteroffiziere unterschieden sich lediglich durch die weiße Armbinde von den übrigen Schützenbrüdern.

 

Jeder Schützenbrüder trug je nach Zugehörigkeit zu einem der vier Züge der Schützenkompanie entweder ein weißes, ein rotes, ein gelbes oder ein blaues Band, das am Abzeichen befestigt war. Überhaupt war jeder Träger eines Ordens oder Ehrenzeichens verpflichtet, eine solche Auszeichnung an beiden Festtagen anzulegen.

 

Der König erhielt für den Königsschuss eine Prämie von 10 preußischen Talern, die 1867 und 1868 auf 12 Taler erhöht, später jedoch auf 6 bzw. 8 Taler ermäßigt wurde. Nach Einführung des Marksystems beliefen sich die Prämien auf 15 Mark in den Jahren 1878 und 1884 und auf 20 bzw. 30 Mark in den Jahren 1886 und 1889. Als Abzeichen trug der König einen silbernen Stern, den sogenannten Königsstern, der jeweils im Eigentum des Vereins verblieb. Die Königin bekam als Geschenk einen Blumenkranz sowie einen Taler. Am zweiten Tag, an dem auf die Scheibe geschossen wurde, erhielten der beste Schütze 3 Taler, der zweitbeste 2 Taler und der drittbeste 1 Taler ausgehändigt. Es bestand aber die Verpflichtung, diese Gelder im Festzelt auszugeben.

 

Bereits einige Monate nach der Gründung wurden die Statuten der "Gesellschaft" ergänzt und unter dem 9. Januar 1866 von ihren Mitgliedern genehmigt. Die wichtigste Änderung betraf die Öffnung des Vereins für Bewohner aus den umliegenden Bauerschaften: "Auch Landleute können beitreten, müssen sich aber durch den Vorstand ballotieren (geheim abstimmen) lassen, können aber kein Vorstandsmitglied sein." Ausdrücklich wurde nochmals auf die Verpflichtung der Schützenbrüder zur Teilnahme an den Übungen vor dem Schützenfest, dem sog. Exerzieren, und an den Umzügen während der Schützenfesttage hingewiesen. Wer sich diesen Pflichten entzog, wurde aus dem Verein ausgeschlossen. Die über 60 Jahre alten Schützenbrüder bildeten von nun an einen eigenen Zug und trugen statt des Gewehres einen Handstock.

 

Für die abendliche Tanzveranstaltung im Festzelt oder Festlokal galt die Regelung, wonach "der Vater seinen Sohn, die Herrschaft ihren Knecht, welche während des Tages in der Wirtschaft nicht zu entbehren (sind), am Abend gegen Entré einführen (können)". Sonstige auf-nahmefähige Bürger waren zu den Veranstaltungen im Zelt nicht zugelassen. Als aber die Zahl der Mitglieder immer mehr zurückging, entschloss man sich im Jahre 1873, jedem Bürger von Rhede gegen ein Eintrittsgeld von 15 Sgr. pro Tag den Besuch der abendlichen Tanz-veranstaltungen im Festzelt zu gestatten. Ebenso durften Söhne, Brüder und Schwäger für je 5 Sgr. und Fremde für 10 Sgr. pro Tag an den Festlichkeiten im Zelt teilnehmen.

 

Da in Rhede für Veranstaltungen solcher Art keine entsprechenden Räumlichkeiten zur Verfügung standen, wurde eigens für das Schützenfest ein Zelt errichtet, das laut Vergabebedingungen ca. 30 Fuß breit und 60 Fuß lang sein musste. In den Jahren 1865 bis 1873 erbaute Bernhard Höing das Festzelt jeweils im Garten des Schneiders Hermann Harbring an der Hardtstraße, auf dem sog. "Harbrings Hoff". 1875 stand das Zelt des Bernhard Höing im Garten von Biermann. 1878 fand das Schützenfest in Dalhaus' Zelt statt, einem Tanzlokal, das aber offensichtlich in keiner Weise den Ansprüchen der Komiteemitglieder entsprochen hat, wie einer Notiz des Jahres 1884 zu entnehmen ist. Deswegen übertrug man in den Jahren 1884, 1886, 1889 und 1892 die "Restauration" dem Wirt Gustav Hengstermann, der sowohl für ein geeignetes Festlokal als auch für die Gestellung des Königswagens und des Pferdes für den Obersten zu sorgen wusste.

 

Die Schenkwirtschaft auf dem Schießplatz und im Festzelt bzw. Festlokal wurde in der Regel meistbietend verdungen. Der jeweilige Wirt, der dem Verein als Mitglied angehören musste, war verpflichtet, "Wein, Bier und Schnaps zu verschenken und für gute Getränke zu sorgen". Auch "gutes Dortmunder Bier (durfte) nicht fehlen". Die Bedienung erfolgte durch "Maköre", Kellner, die ebenfalls Schützenbrüder sein mussten. Für die Musik sorgten Kapellen aus Rhede, aber auch aus der näheren und weiteren Umgebung. So spielte z. B. im Jahre 1892 die Kapelle Rudolfs aus Xanten zum Tanze auf, da der Preis der hiesigen Kapelle nicht "zusagte".

 

Die ursprüngliche Absicht, in jedem Jahr ein Schützenfest zu feiern, konnte nicht annähernd verwirklicht werden. Für den Zeitraum von 1865 bis 1892/1903 lassen sich insgesamt nur 11 bzw. 12 Schützenfeste nachweisen. Sieht man einmal von den kriegsbedingten Unterbrechun-gen ab (1866 Krieg gegen Österreich, 1870/71 Krieg gegen Frankreich), so fand im Durch-schnitt nur alle 3 bis 4 Jahre ein Schützenfest statt, das erste am 10. und 11. Juli 1865. Unter großer Beteiligung wurden auch 1867 und 1868 Schützenfeste gefeiert.

 

Aber schon 1869 brach eine große Krise über den Verein herein, da sich die Mitglieder nicht über den Zeitpunkt des Schützenfestes einigen konnten. Zahlreiche Schützenbrüder machten den Vorschlag, das Schützenfest am Samstag und Sonntag zu feiern, die übrigen wollten un-bedingt an dem traditionellen Montag und Dienstag festhalten. Ein Kompromiss wurde nicht gefunden, das Schützenfest fiel aus. Stattdessen unternahm eine Anzahl sog. "bäterer Börger" am Montag des geplanten Schützenfestes einen Ausflug zur Aa in Richtung Büngern, um in "Günsinks Kolk" Fische zu fangen. Ein zeitgenössischer Versemacher hat dieses Ereignis in einem lustigen Gedicht festgehalten, dessen erste Reime so lauten:

"In Rhee gung jüngst datt grote Volk,
"Henn fissen noa denn Günsinks Kolk,
"Se hadden alles wall bedacht,
"De sewwen Saken mäddebracht ..."

 

Die Streitigkeiten, die sicherlich auch noch andere Gründe gehabt haben dürften, konnten anscheinend nicht beigelegt werden. Amtmann Effing, seinerzeit Direktor des Komitees, legte seinen Posten nieder und trat aus dem Verein aus. Zahlreiche andere Schützenbrüder folgten seinem Beispiel, und so verminderte sich die Mitgliederzahl der Bürger-Schützen-Gesellschaft innerhalb kurzer Zeit um über ein Drittel.

 

Aber der Verein überstand diese kritische Phase, und die Termine für das Schützenfest im August 1870 waren bereits festgelegt, als der Deutsch-Französische Krieg ausbrach und alle Vorbereitungen zunichte machte. In der Folgezeit wurde in Abständen von zwei Jahren gefeiert: 1871, als Alois Harbring den Königsschuss machte, ferner 1873 und 1875. Nachdem 1878 unter dem König Wilhelm Brand noch einmal tüchtig gefeiert worden war, erlahmte die Aktivität im Verein immer mehr. Eine Befragungsaktion im Jahre 1882, mit deren Hilfe man das Interesse der Mitglieder an einem Schützenfest erkunden wollte, endete negativ. So fand erst 1884 - nach einer Unterbrechung von sechs Jahren - wieder ein Schützenfest statt, bei dem Johann Hüssing den Vogel holte.

 

Die Konkurrenz durch andere Veranstaltungen scheint in jenen Jahren groß gewesen zu sein. So heißt es unter dem 12. Juli 1885 im Schützenbuch, dass auf der heutigen Generalversammlung beschlossen worden sei, "in Anbetracht der vielen Nachbarfeste in diesem Jahr kein Schützenfest zu feiern". Ein an seiner Stelle vorgesehenes Scheibenschießen am 20. Oktober 1885, Kirmesdienstag, das mit einer abendlichen Tanzveranstaltung im Hengstermannschen Zelt seinen Abschluss finden sollte, fiel aus, da der damalige Amtmann Rutenfranz keine Erlaubnis dazu erteilte. Auch im folgenden Jahr wurde der Antrag des Vorstandes, am Kirmesdienstag "ein Tanzkränzchen, nur für seine Mitglieder, im Saale des Wirths Hengstermann hier zu veranstalten", abschlägig beschieden.

 

Die letzten Jahre des hier beschriebenen Zeitraumes brachten noch drei Schützenfeste: 1886 (König: Bernhard Bölting, gleichzeitig Mitglied des Komitees bzw. Vorstands), 1889 (König: Gerrit Termer) und 1892 (König: Gerhard Cassée). Ein getreues Spiegelbild des Auf und Ab des Vereins vermittelt zum Schluss die Entwicklung der Mitgliederzahlen von 1865 bis 1892. Waren bei der Gründung der Schützengesellschaft noch 163 Mitglieder gezählt worden, so sank deren Zahl 1869/70/71 auf 93 und im Jahre 1873 auf 83 ab. In den folgenden 20 Jahren stabilisierte sich die Mitgliederzahl bei etwa 80, um dann 1892 auf 60 Personen zurückzugehen. Die letzte Quartalsabrechnung 1892 führte namentlich noch ganze 27 Schützenbrüder auf, alle anderen hatten dem Verein den Rücken gekehrt. Die Ursachen für diesen jähen Rückgang sind leider mit keinem einzigen Wort erwähnt. Bekannt sind lediglich die Folgen: Mit Beginn des Jahres 1893 fand die "Allgemeine Bürger-Schützen-Gesellschaft Rhede von 1865" ihr vorläufiges Ende.

 

Zeit von 1903 - 1927

Im Jahre 1903 erlebte die schon totgesagte Allgemeine Bürger-Schützen-Gesellschaft eine kaum geglaubte Wiedergeburt.

 

In den Jahren zuvor war - wie vielerorts - auch in Rhede ein enormer wirtschaftlicher Strukturwandel eingetreten. Der Handwebstuhl hatte endgültig ausgedient, der "Wäwedamp" seinen Siegeszug begonnen. Aus dem bescheidenen Landflecken Rhede war ein kleiner, aufstrebender Industrieort geworden. Nach einer konjunkturbedingten "Flaute" setzte ab 1902 ein kräftiger Aufschwung in der Rheder Textilindustrie ein. Die Betriebe waren wieder vollauf beschäftigt, und jedermann profitierte davon. Mit großem Optimismus und viel Lebensfreude schaute man in die Zukunft.

 

Ist es verwunderlich, wenn in dieser Atmosphäre der Wunsch nach mehr Geselligkeit aufkommt? Obendrein war das Rheder Vereinsleben in damaliger Zeit nur schwach ausgeprägt. So fanden z. B. im Jahre 1901 in der Gemeinde Rhede ganze zehn "Lustbarkeiten" statt, davon sechs "Vereinslustbarkeiten" (Kriegerverein, Junggesellenschützenverein etc.), drei von Wirten veranstaltete Tanzfeste und nur ein einziges Nachbarfest. In den umliegenden Bauerschaften war die Situation ähnlich.

 

Tatkräftige Rheder Bürger betrieben deshalb im Jahre 1903 die Wiedergründung der Allgemeinen Bürger-Schützen-Gesellschaft, die bekanntlich seit 1892/93 nicht mehr in Erscheinung getreten war. Das "Volksblatt" nahm von diesen Bemühungen in einem ausführlichen Bericht Notiz: "Nachdem ein Bürger-Schützenfest seit dem Jahre 1892 in hiesiger Gemeinde nicht mehr gefeiert worden war, wurde in einer am Sonntag, 19. Juli, nachmittags, in der Wirtschaft Cassée zusammenberufenen und von hiesigen Bürgern sehr zahlreich besuchten Versammlung die Wiedererrichtung des Bürgerschützenvereins und die Abhaltung eines Bür-gerschützenfestes beschlossen. Von der Versammlung wurde sodann ein vorläufiger Vorstand gewählt und bestimmt, dass am Mittwoch, 22. d. M., abends 8 ½ Uhr, im Hengstermannschen Saale eine öffentliche General-Versammlung des Vereins abgehalten werden sollte. Gestern abend fand diese öffentliche General-Versammlung statt. Der vorläufige Präsident, Herr Joseph Hoeck, eröffnete dieselbe, worauf der Schriftführer, Herr Johann Brokamp, die Statuten des Vereins verlas. Nachdem dann die Anmeldung zahlreicher Eingesessener zur Mitglied-schaft erfolgt war, wurde zur Wahl des endgültigen Vorstands geschritten. Es wurden gewählt: Herr Unternehmer Wilhelm Kuhne zum Präsidenten, Herr Bauunternehmer Johann Brokamp zum Schriftführer, die Herren Kaufmann Joseph Hoeck, Molkerei-Verwalter Heinrich Ricken und Hermann Bölting zu Beisitzern. Alsdann wurde die Wahl der diesjährigen Schützenoffiziere und Chargierten vorgenommen. Aus dieser gingen hervor als Oberst Herr August Rößing, als Major Herr Theodor Schüling, als Hauptleute die Herren Theodor Havers und Joseph Terhardt, als Adjutanten die Herren Wilhelm Hengstermann und Joseph Rößing, als Leutnants die Herren Heinrich Hagedorn und Johann Frenk, als Fahnenoffiziere die Herren Gerhard Rademacher, Heinrich Möllmann und Heinrich Stamm, als Feldwebel die Herren Bernhard Goldkuhle und Heinrich Hörning und als Tambour Herr Johann Tewocht."

Die auf obiger General-Versammlung verabschiedeten Statuten sahen vor, dass die aufnahmewilligen Bürger von Rhede das 22. Lebensjahr vollendet "moralisch sich gut geführt" haben mussten. Aufnahmefähige Nichtmitglieder der Gemeinde konnten unter keinen Umständen an den Festlichkeiten teilnehmen. Mitglieder, die das 55. Lebensjahr noch nicht erreicht hatten, waren verpflichtet, an den Umzügen teilzunehmen. Entschuldigungen gab es nur bei ganz triftigen Gründen, die dem Schriftführer mindestens eine (!) Stunde vor dem jeweiligen Umzug anzuzeigen waren. Der Vorstand entschied sodann, ob Befreiung erfolgen konnte oder nicht. Mitglieder besaßen natürlich das Recht, nicht aufnahmefähige Personen sowie Ortsfremde zu den Veranstaltungen mitzubringen. Das Eintrittsgeld für Herren belief sich dann auf jeweils eine Mark pro Tag, wobei eine Dame "frei" war, jede weitere zahlte 50 Pfennige. Das Mindestalter bei diesen Personen war auf 18 Jahre für Herren und 17 Jahre für Damen festgesetzt. Für den Königsschuss erhielt der König 50 Pfennige je Mitglied, mindestens jedoch 50 Mark.

 

Die Leitung und Verwaltung der Schützengesellschaft oblagen dem Vorstand, der sich aus dem Präsidenten dem Schriftführer, drei Beisitzern sowie dem Obersten und dem Major zusammensetzte. Das Schützenfest fand in den ersten Jahren (1903 bis 1905) traditionsgemäß jeweils an einem Montag und Dienstag statt, ab 1906 jeweils sonntags und montags, und zwar entweder im Juli oder August. Der Ablauf war genau festgelegt: Montagmorgen 8 Uhr Antreten des Bataillons im Festsaale. Abholen des alten Königs sowie des Herrn Amtmanns. Marsch zum Schießplatz. Vogelschießen, während desselben Konzert. Proklamation und Dekorierung des Königs und der Königin. Zug zum Festlokale. Konzert. Nachmittags gegen ½ 4 Uhr: Antreten im Festlokale. Abholen des Königspaares. Parade vor demselben. Zug durchs Dorf. Königsball. Schluss 12 Uhr. Dienstagmorgen ½ 10 Uhr: Abholen des Königs. Musikalischer Frühschoppen. Nachmittags ½ 4 Uhr: Antreten des Bataillons im Festsaale. Abholen des Königspaares. Zug durchs Dorf. Festball. Schluss 12 Uhr.

 

Die Schützenfeste wurden meistens - wie auch die alljährlich stattfindenden Winterfeste - abwechselnd im Hengstermannschen oder Rößingschen Saale veranstaltet.

 

Nachweislich fand das Vogelschießen in den Jahren 1903 bis 1905 auf dem sog. "Hetfeldeken" in unmittelbarer Nähe der "Schülings Bleeke" statt, einem Gelände, das etwa 50 bis 100 Meter östlich der Münsterstraße in Höhe des heutigen Paßkamp gelegen war. Bereits 1906 wurde die Vogelstange auf einen Platz vor dem Hause des Gutes Dörbröking versetzt. Gemäß einer Urkunde aus dem Jahre 1939 war dieser Platz dem Verein vom Besitzer des Hauses Rhede zum Zwecke des Vogelschießens zur Verfügung gestellt worden.

 

Das erste Schützenfest der Allgemeinen Bürger-Schützen-Gesellschaft nach mehr als zehnjähriger Unterbrechung wurde ein großer Erfolg, nachdem zuvor 158 Personen dem Verein als Mitglieder beigetreten waren. In einem Bericht von damals heißt es u. a.: "Obschon der erste Tag sehr unter der Ungunst der Witterung zu leiden hatte, verlief er doch auf das glänzendste ... Heute morgen in aller Frühe ertönten als Weckruf die munteren Klänge des "Freut euch des Lebens", untermischt mit krachenden Böllerschüssen ... Um 8 Uhr traten die Schützen im Festlokale, dem Hengstermannschen Kaisersaale, an. Es wurden sodann der letzte König des Vereins, Herr Cassée, und der Amtmann Vrede abgeholt. Herr Amtmann Vrede hielt bei dieser Gelegenheit eine zündende Ansprache an die Schützen, die in ein Hoch auf den Verein ausklang. Hierauf zogen die Schützen unter klingendem Spiele zur Vogelstange."

Alt-Schützenbruder Theodor Große-Venhaus kann sich noch genau daran erinnern: "Nun sollte im Jahre 1903 wieder ein Schützenfest mit Vogelschießen stattfinden. Die Einwohner von Rhede waren sehr gespannt auf die kommenden Ereignisse nach so langer Zeit. Das Grundstück an der Borkener Straße, wo die Firma Döbbelt ein neuzeitliches Wohnhaus errichtet hat, hießt um 1900 im Volksmund "Hogen Gaskamp" (Hoher Gerstkamp). Fünfzig Meter weiter - auch links der Straße - war früher eine Heidefläche, wo sich die Vogelstange befand. In einer Ecke dieses Geländes stand eine alte Viehhütte. Da es öfters Regenschauer gab, hatten auch die Mitglieder der Kriegerkapelle dort Schutz gesucht. Plötzlich wieder ein Regenguß, Ger-hard Korb ruft von der Hütte aus: "Juhann komm ook hier henn!" Gemeint war Johann Bölte, der die kleine Trommel von der Kriegerkapelle schlug. Bölte - ein Original - hatte bei der Garde in Berlin gedient, war groß und kräftig, hatte einen aufrechten Gang - trotz seines ho-hen Alters hat er in der Kirche niemals eine Sitzbank benutzt, einen Regenschirm kannte er nicht - kurz gesagt: immer eisern - war hier in seiner Ehre getroffen und antwortete: "Datt do ick neet!" Als der Regen aufhörte, wurde weitergeschossen. Da fiel der Rest des Vogels herunter. Das ganze Volk fing an zu brüllen. Alles rief: "Jans Gratz Belting iss Könnink, Kerl, Kerl, datt göww en flotten Thron!" Und so kam es dann auch."

 

J. G. Belting, der spätere Präsident des Vereins, wurde also der erste König. Zur Königin er-wählte er sich Frau Theodor Schüling. Zu Hofdamen wurden Frau Johann Gerhard Belting, Frau Wilhelm Hengstermann, Frau Gerhard Cassée und Frau Johann Dalhaus ernannt. Der abendliche Festball "verlief auf das schönste ohne jeglichen Misston und hielt die Festteilnehmer bis zu später Stunde in fidelster Stimmung versammelt".

 

Dieser überaus erfolgreiche Neubeginn war aber auch gleichzeitig das Ende der "Allgemeinen Bürger-Schützen-Gesellschaft" unter ihrem bisherigen Namen. Nach einem Mitgliederbeschluss vom 19. August 1903, den eine im November des gleichen Jahres stattgefundene Generalversammlung bestätigte, wurde die "Allgemeine Bürger-Schützen-Gesellschaft" kurzerhand in eine Vereinigung umgewandelt, die fortan bis zum Jahre 1927 den Namen "St.-Hubertus-Schützenverein Rhede" trug. Die Gründe, die zu dieser Namensänderung geführt haben, sind nicht bekannt. Man weiß nur, dass der neue Name nicht besonders populär gewesen sein muss, was auch aus der Bemerkung: "Datt hebt sick alles de Penneleckers uddedacht!" hervorgeht.

In der Folgezeit entwickelte der neubenannte Verein eine rege Aktivität. Folgt man den teilweise überschwänglichen Berichten, die seinerzeit in der örtlichen Presse erschienen sind, so müssen die Vereinsveranstaltungen echte Volksfeste gewesen sein. So heißt es z. B. in einer Notiz vom 18. Juli 1909: "Seit Wochen, sogar Monaten vorher spricht man davon und freut sich auf das Schützenfest, welches sich, unterstützt und gefördert von der Bürgerschaft, zu einem wahren Volksfest emporgeschwungen hat." Besondere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit fanden naturgemäß das Vogelschießen auf Dörbröking und der Festzug durch die jedesmal reich beflaggten Straßen von Rhede. Stark besucht und "recht amüsant" waren auch die Fest- und Königsbälle, an denen außer den hiesigen Einwohnern zahlreiche Auswärtige, darunter viele Bocholter, teilnahmen.

 

Bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges 1914 wurde Jahr für Jahr Schützenfest gefeiert, auch im Jahre 1913, obwohl der ursprünglich vorgesehene Termin mit Rücksicht auf die schlechte Beschäftigungslage in der Textilindustrie nicht eingehalten werden konnte und eine Verschiebung um sieben Wochen erfolgte. So schnell änderten sich auch damals schon die Zeiten!

 

Im Jahre 1906 wurde beschlossen, alljährlich beim Vogelschießen die drei besten Schützen zu prämieren. Die Siegernamen von damals sind noch bekannt. Beim ersten Male holte sich Hermann Grunden den Siegerpreis durch "Meisterschuss der Krone", in den folgenden Jahren gewannen Heinrich Hagedorn, Bernhard Goldkuhle, Josef Hoeck usw.

 

Das Schützenfest im Jahre 1907 brachte zum ersten Male einen Junggesellen auf den Königsthron: "Heiß war der Kampf um die Königswürde, noch heißer der Tag, denn die liebe Sonne sandte seit langer Zeit einmal mit seltener Beharrlichkeit ihre Strahlen wieder auf die eifrigen Schützen. Gegen ½ 12 Uhr brachte Herr Friedrich Gooßen schließlich durch einen Meisterschuss den königlichen Vogel aus seiner Höhe. Ein donnerndes Hoch erschallte unter Kanonendonner über den weiten Platz, denn der lang gehegte Wunsch war erfüllt: Die Schützen hatten seit Bestehen ihres Festes zum ersten Male einen Junggesellen als König."

 

Das gleiche Kunststück gelang zwei Jahre später Heinrich Kammann, seinerzeit "Gemeindeempfänger" von Rhede. Vom Schützenfest jenes Jahres ist noch ein gut erhaltenes Foto vorhanden, das den gesamten Thron und sämtliche Schützenbrüder zu Beginn des Festzuges auf dem Marktplatz zeigt. Auf dem Bild ist auch die Rheder Kriegerkapelle zu erkennen, die viele Jahre lang durch ihr vorzügliches musikalisches Spiel, das immer wieder lobende Erwähnung findet, zum guten Gelingen der Schützenfeste beitrug. 1911 spielte die Kapelle des Infanterieregimentes Nr. 159 aus Mülheim, später dann die Kriegervereinskapelle von Bocholt.

 

Die Präsidenten des Schützenvereins waren Wilhelm Kuhne, Johann G. Belting und Heinrich Hagedorn. Den Vorstand im Jahre 1906 bildeten J. G. Belting (Präsident), Bernhard Harde (Schriftführer), August Rößing (Oberst), Bernhard Frenk (Major) sowie Heinrich Hagedorn und Johann Lütkenhorst (Beisitzer).

 

Während des 1. Weltkrieges ruhte das Vereinsleben völlig. Viele Mitglieder standen unter Waffen. Die Sorge um das Land und die im Felde stehenden Angehörigen beherrschten das ganze Leben. Anstelle froher Feste fanden Trauerfeiern und Totenmessen für die gefallenen Söhne unserer Heimat statt. Der Krieg riss große Lücken in die Reihen der Schützenbrüder. Es ist daher verständlich, dass im ersten Nachkriegsjahr noch keine echte Bereitschaft zur Feier eines Schützenfestes vorhanden war. Erst 1920 trat der St.-Hubertus-Schützenverein wieder mit einem Schützenfest an die Öffentlichkeit. Der erste König wurde Fritz Schäfer, der sich Frau Hermann Starting zur Königin auserkor.

 

1921 wurde die aus dem Jahre 1903 stammende Satzung überarbeitet und in Form einer kleinen Druckschrift jedem Vereinsmitglied ausgehändigt. Diese neue Satzung brachte im Grundsätzlichen keine wesentlichen Veränderungen. Definiert wurde erstmals der Vereinszweck, der in der Pflege und Förderung von Eintracht und Geselligkeit bestehen sollte. Gemäß § 8 war als Hauptfest "das jährlich im Sommer abzuhaltende Schützenfest mit Vogelschießen anzusehen". Nach erfolgtem Königsschuss hatte sich der jeweilige König mit dem Vorstand in Verbindung zu setzen und zwecks Bildung und Zusammensetzung des Thrones zu beraten. Abweichend von der bisherigen Regelung waren alle Schützen bis zum 60. Lebensjahr (bisher 55. Lebensjahr) verpflichtet, an den Hauptumzügen teilzunehmen. In die Satzung neu aufgenommen wurde die Bestimmung, wonach "Bestrebungen politischer Art im Verein nicht betrieben werden (durften)".

 

Interessant ist auch die Regelung im abschließenden § 16, dass bei Auflösung des Vereins "Fahne und sonstige Gegenstände für eine evtl. spätere Neugründung" zurückzustellen seien. Obige Satzung wurde am 22. August 1921 vorgelesen und von der Mitgliederversammlung einstimmig verabschiedet. Präsident des Vereins war damals Bernhard Harde. Als Schriftfüh-rer bzw. Kassierer fungierten Heinrich Benning und Bernhard Tepasse, als Beisitzer Bernhard Goldkuhle und Theodor Schüling.

 

Das Schützenfest des Jahres 1922 litt unter den sich immer mehr zuspitzenden politischen und inflatorischen Zeitumständen. Im Hinblick darauf verzichtete man auf das übliche zweitägige Schützenfest und feierte nur montags. Nach fast 2 ½-stündigem heftigen Ringen gelang es Gustav Albers, den Rest des Vogels von der Stange zu holen. Zur Königin erwählte er sich Fräulein Franziska Wedding, mit der er fünf Jahre später den Bund fürs Leben schloss. Durch den Königsschuss im Jahre 1922 ist Gustav Albers im Jubeljahr des Verein der rangälteste Jakobi-Schützenkönig.

 

1923 wurde das Schützenfest ein Opfer der Inflation und des immer härter werdenden "Ruhrkampfes". Aber bereits ein Jahr später wurde wieder in althergebrachter Weise Schützenfest gefeiert. 1926 gelang es Klempnermeister Heinrich Albers zum ersten Male, den Vogel (beim 198. Schuss) abzuschießen, ein Meisterstück, das er sieben Jahre später (1933) mit großer Bravour wiederholte. Heinrich Albers ist damit der einzige Schützenkönig in der neueren Geschichte des Vereins, der zweimal die Königswürde erringen konnte.

 

Zeit von 1927 - 1977

Der letzte große Zeitabschnitt in seiner bisherigen Geschichte begann für den St. Jakobi-Schützenverein im Jahre 1927. So, wie wir uns heute anschicken, das 425-jährige Jubiläum festlich zu begehen, erinnerte man sich damals des 375-jährigen Bestehens. Nachdem einige Jahre zuvor die alten Schützen- und Rechnungsbücher der St. Jakobi-Schütterei durch Zufall wieder aufgetaucht waren, besannen sich die Schützenbrüder im St.-Hubertus-Schützenverein der jahrhundertealten Tradition. In einem Zeitungsbericht aus jenen Tagen heißt es u. a.: "Nach Wiederauffinden der alten Rechnungsbücher wurde von den Mitgliedern beschlossen, den ursprünglichen Namen "St. Jakobi-Schützenverein" wieder anzunehmen."

 

Ein großes Verdienst gebührt in diesem Zusammenhang Dr. Clemens Becker aus Bocholt, der seinerzeit über Entstehung und Entwicklung der St. Jakobi-Schütterei umfangreiche und intensive Forschungen betrieb und durch Veröffentlichungen und Vorträge den Boden für einen derartigen Entschluss vorbereitete. Mit dieser, in der Öffentlichkeit mit großem Beifall aufgenommenen Entscheidung wurde eine Vereinstradition fortgesetzt, die auf ihrem Umweg über die "Allgemeine Bürger-Schützen-Gesellschaft" und den St.-Hubertus-Schützenverein nur eine scheinbare Unterbrechung erfahren hatte. Rückblickend waren die Umwandlung der "Allgemeinen Bürger-Schützen-Gesellschaft" in den St.-Hubertus-Schützenverein und dessen Umbenennung in den St. Jakobi-Schützenverein in Wirklichkeit die konsequente Weiterführung einer jahrhundertealten, ehrwürdigen Tradition.

 

Es spricht für das Geschichtsbewusstsein unserer damaligen Schützenbrüder, dass sie gerade das 375-jährige Jubiläum zum Anlass nahmen, um mit einem glanzvollen Schützenfest zum alten Jakobi-Namen zurückzukehren. Höhepunkt dieser Namensfeier war die Weihe der neuen St. Jakobi-Fahne auf dem festlich geschmückten Marktplatz, an dem zahlreiche Ehrengäste und viele Schützenvereine aus der näheren Umgebung von Rhede teilnahmen. Die Wiederein-führung der alten Benennung wurde durch ein Fahnenband, das an der alten, vermutlich aus den Jahren 1903/04 stammenden St.-Hubertus-Fahne befestigt wurde, ausdrücklich dokumentiert. Seit jener Zeit besitzt der St. Jakobi-Schützenverein zwei Vereinsfahnen, die auch heute noch bei jedem Festzug mitgeführt werden.

 

Über den Verlauf des Jubelfestes 1927 berichtet ausführlich ein Artikel im damaligen "Volks-blatt", der unter der Überschrift: "Heute vor 50 Jahren ..." ebenfalls in dieser Festschrift weiter unten erschienen ist.

 

Naturgemäß verband sich mit den Ereignissen des Jahres 1927 ein kräftiger Aufschwung des St. Jakobi-Schützenvereins, der bis zum Jahre 1929 anhielt. Die große Zahl der Neuanmeldungen ist ein beredtes Zeugnis dafür. Den älteren Schützenbrüdern dürften die Veranstaltungen jener "Goldenen Zwanziger Jahre" unvergessen sein. Besonderer Beliebtheit erfreute sich immer wieder das Lagerleben an der Vogelstange auf dem Gute Dörbröking. Oftmals ist davon die Rede, dass "ein gemütliches Leben und Treiben der einzelnen Kompanien in ihren Lagern (herrschte), wozu das schöne Wetter und die schattige Lage unter den Eichen wesentlich beitrug". Aber auch die Königsbälle fanden jedesmal lobende Erwähnung. So heißt es z. B. vom Festball des Schützenfestes 1928: "Mitgerissen von der Fröhlichkeit des Königs-paares (Hermann Wegmann und Frau Ww. Franz Rößing) und des ganzen Hofstaates umfing alsbald alle Teilnehmer eine ausgezeichnete Stimmung, die den ganzen Abend hindurch anhielt".

 

Aber schon bald zogen dunkle Wolken am Horizont auf. Eine außergewöhnlich schlechte wirtschaftliche Lage als Folge der "Weltwirtschaftskrise" ließ jegliche Vereinsaktivitäten erlahmen, sodass in den Jahren 1930 bis 1932 keine Schützenfeste stattfanden. Erst 1933 zeichnete sich eine gewisse Besserung ab. Auf einer stark besuchten Mitgliederversammlung jenes Jahres herrschte die allgemeine Ansicht, dass "trotz der immer noch schwierigen Zeit die Möglichkeit, auch in Rhede ein Schützenfest zu feiern, vorhanden sein (müsse)". Weiterhin wurde vorgeschlagen, ein eventuelles Schützenfest "in jeder Weise einfach und volkstümlich" abzuhalten. Ein Eintrittsgeld sollte nicht erhoben werden, der Jahresbeitrag 2 Mark nicht überschreiten. Die Kosten für den König und den Thron sollten so gering gehalten werden, dass jedem Mitglied die Möglichkeit zur Erringung der Königswürde gegeben sei.

 

In der Diskussion wies Amtsbürgermeister Dörner, der neugewählte Präsident des St. Jakobi-Schützenvereins, wiederholt darauf hin, dass das diesjährige Schützenfest auf breiter Basis aufgebaut werden müsse und bat alle Anwesenden, tatkräftig für den Verein zu werben. Es gelte, "den Gedanken der volksgemeinschaftlichen Sammlung zu fördern und zu vertiefen". Nur so könne das Schützenfest ein wirkliches Volksfest werden.

 

Das erste Schützenfest nach mehrjähriger Unterbrechung wurde erwartungsgemäß ein großer Erfolg. In der hiesigen Presse wurde ausführlich berichtet: "Zur Feier des Tages ruhten an diesem Tage sämtliche Betriebe. Es war ein Volksfest im wahrsten Sinne des Wortes. Das Dorf prangte im schönsten Flaggenschmuck." Vielumjubelter Schützenkönig wurde Heinrich Albers, der bekanntlich schon 1926 die Königswürde errungen hatte.

 

In ähnlicher Stimmung verliefen auch die Schützenfeste der nachfolgenden Jahre. Das Dorf Rhede stand jedesmal völlig im Banne dieses "Ereignisses". Sämtliche Betriebe und Fabriken blieben geschlossen, und "alles, was eben abkommen konnte, beteiligte sich an der Feier". Die Schützenfeste der Jahre 1933 bis 1939 fanden jeweils nur an einem einzigen Tag, und zwar meistens an einem der letzten Montage im Juli statt. Morgens um 6.30 Uhr wurde das Fest durch Kanonendonner angekündigt und mit einem Wecken - durch die Rheder Feuerwehrkapelle - eingeleitet. Um 8 Uhr versammelten sich die Schützen im Festlokale. Nach dem Abho-len der Fahnen formierte sich das Schützenbataillon auf dem Marktplatz zum Empfang des Majors (damals Aloys Bußhaus). Nach alter Tradition wurden sodann der Oberst, der Präsident (seit 1937 "Vereinsführer" genannte), der vorjährige Schützenkönig und der Bürgermeister abgeholt. Im feierlichen Zug ging es dann zur Vogelstange nach Gehlmann, gnt. Dörbröking, wo gegen 9.30 Uhr das eigentliche Vogelschießen begann. Währenddessen trafen sich die einzelnen Kompanien in ihren Lagern zu einem "gemütlichen Beisammensein". Nach dem Königsschuss und der Zusammensetzung des Hofstaates erfolgte der Rückmarsch zum Festlokale. Dort wurde die feierliche Inthronisation vorgenommen. Im Anschluss daran fand der Königsball statt, auf dem die Königin die drei besten Schützen auszeichnete.

 

Nach einer wohlverdienten, aber meist viel zu kurzen Mittagspause marschierten die Schützen ab 16.30 Uhr im festlichen Zuge durch das Dorf. Den Abschluss des Schützenfestes bildete der um 20 Uhr beginnende Festball, der durch eine Polonaise, die über den Markt und die benachbarten Straßen führte, eine originelle Note erhielt. Der Festball endete nach alter Tradition mit dem "Wegbringen" des Königspaares durch die Festteilnehmer, wozu noch einmal die Musik aufspielte.

 

Der vom Obersten herausgegebene Regimentsbefehl verpflichtete die Schützen, zu den Umzügen mit dunklem Anzug und dunklem Hut zu erscheinen. Mitglieder im Alter bis zu 55 Jahren mussten am Hauptzug teilnehmen. Fehlen ohne besonderen Grund wurde mit 50 Pfennig Strafe geahndet. Jeder Schütze unter 50 Jahren hatte zu den Zügen mit einem Ge-wehr anzutreten. Älteren Mitgliedern war es überlassen, mit Gewehr oder Stock zu erscheinen. Darüber hinaus war jeder Schütze verpflichtet, Orden und Ehrenzeichen anzulegen. Verantwortlich für den Regimentsbefehl zeichnete seit 1936 der Oberst Heinrich Albers.

 

Höhepunkt eines jeden Schützenfestes war natürlich der abendliche Festball im damaligen Hengstermannschen Saale. Vom Festball des Jahres 1936 ist noch ein stimmungsvoller Be-richt erhalten: "Unter dem allbekannten Motto "Bo kriege wij et upp ..." wurde dieser Teil des Festes urfidel und gemütlich ausgestaltet. Schon bald wiegte sich jung und alt im Dreiviertel-takt des Walzers, aber auch der "Kunterdanz" und die alten Heimattänze kamen voll zu ihrem Recht. In den Pausen drängte sich alles zur "Kasse", lies Bierausschank, und stärkte sich für die weiteren Ereignisse des Festes ... Auf dem Thron sorgte Zeremonienmeister Karl Machens für gute Laune und Stimmung, und später erwiesen sich verschiedene Schützenbrüder als Komiker von ganz großem Format ..."

 

Für die älteren Schützenbrüder noch unvergessen dürfte das Vogelschießen des Jahres 1937 sein. Nachdem "der Aar in seiner luftigen Höhe unter den wohlgezielten Treffern der Schüt-zen schon bald seiner Insignien beraubt war", hielt der Rest des Vogels allen Angriffen länger als erwartet stand. Plötzlich holte der Schützenbruder Franz Büning mit einem Volltreffer die scheinbar letzten Reste des Vogels von der Stange und wurde - etwas voreilig - mit allen Eh-ren zum neuen König der St. Jakobi-Schützen ausgerufen. Groß war das Erstaunen, aber noch größer die Heiterkeit, als sich bei näherer Untersuchung herausstellte, dass ein winziger Rest des Vogels zurückgeblieben war. Von neuem begann das Schießen um die Königswürde, bis es schließlich Albert Hengstermann beim 567. Schuss, einem Meisterschuss, gelang, den letzten Rest von der Stange herunterzuholen. Zu seiner Mitregentin erkor sich König Albert I. Frau Theodor Wanning.

 

Die sofort nach der Machtübernahme 1933 eingeleiteten Maßnahmen zur "Gleichschaltung" oder sogar Auflösung der Vereine erstreckten sich seit 1936 auch auf die Schützenvereinigungen. Der St. Jakob-Schützenverein musste - um der drohenden Auflösung zu entgehen - dem Deutschen Schützenverband, Gau Westfalen, beitreten und war fortan verpflichtet, auch die vormilitärische Ausbildung seiner Mitglieder zu übernehmen. In der Praxis hatten diese An-ordnungen jedoch keine große Bedeutung, wenn auch hin und wieder einige Mitglieder für vereinsfremde Aufgaben eingesetzt werden mussten. 1938 verlieh der Gau Westfalen im Deutschen Schützenverband dem St. Jakobi-Schützenverein eine Urkunde "in Anerkennung seines erfolgreichen Einsatzes für das Opferschießen im Winterhilfswerk 1937/38 und für die großdeutsche Volksabstimmung". 1941 erhielt der Schütze Albert Hengstermann ein Diplom und wurde aufgrund seiner Leistungen im Kleinkaliberschießen mit 121 Ringen zum "Meister des Vereins" ernannt.

 

Die Bestimmungen des Deutschen Schützenverbandes bezogen sich auch auf das Tragen der Schützenuniformen, Rangabzeichen und Rangbezeichnungen. So war es beispielsweise verboten, Achselstücke, Epauletten und Scherpen zu tragen. Ausgenommen hiervon waren lediglich "traditionsgeweihte" Abzeichen wie Schützenketten und ähnliches. Sämtliche militärischen Rangbezeichnungen wie Oberst, Major usw. fielen fort. Entsprechend den politischen Vorstellungen der damaligen Machthaber herrschte das Führerprinzip. Offiziell gab es nur noch den Vereinsführer und dessen Beiratsmitglieder. Im St. Jakobi-Schützenverein scheint man diesen Anordnungen aber nur oberflächlich gefolgt zu sein. In einer Protokollnotiz vom 26. Mai 1939 sind Funktionen und Namen der Vorstandsmitglieder wie folgt aufgeführt: Vereinsführer: Theodor Wanning; stellvertretender Vereinsführer: Bernhard Rademacher; Schriftwart: Bernhard Essing; Kassenwart: Carl Voß; Dietwart (war zur Pflege der Tradition und des Brauchtums im Schützenverein bestellt): Wilhelm Terhardt; Schießwart: Heinrich Wedding; Schützenoberst: Heinrich Albers; Schützenmajor: Aloys Bußhaus; Ältestenrat: Heinrich Hovestädt, Heinrich Deitmer, Theo Harde und Bernhard Frenk.

 

Aus dem "Kriegspielen" der vormilitärischen Ausbildung sollte bald bitterer Ernst werden. Nachdem im Sommer des Jahres 1939 noch einmal in althergebrachter Weise Schützenfest gefeiert worden war (Schützenkönig Johann Hüsken), verschlechterte sich die politische Lage zusehends und führte am 1. September zum Ausbruch des 2. Weltkrieges. Zahlreiche Schützenbrüder standen vom ersten Tag an unter Waffen. Groß war die Zahl derer, die nicht mehr in die Heimat zurückkehrten. Es ist daher eine verpflichtende Aufgabe des Vereins, in Ehrfurcht aller gefallenen und vermissten Schützenbrüder zu gedenken. So ist die feierliche Kranzniederlegung am Ehrenmal in der St. Gudula-Pfarrkirche bis auf den heutigen Tag ein festlicher Bestandteil des jeweiligen Schützenfestes geblieben.

 

Es ist verständlich, dass während der Kriegsjahre jegliche Vereinsaktivitäten zum Erliegen kamen. Erst im laufe des Jahres 1948 fanden sich wieder einige Mitglieder zusammen, um die Tradition des St. Jakobi-Schützenverein wieder aufleben zu lassen. Voraussetzung für die Bildung von Schützenvereinigungen war die Genehmigung durch die britische Militärregierung, vertreten durch den Kreis-Resident-Officer C. M. Dobbs, der in Borken seinen Sitz hatte. Da die gültige Satzung aus dem Jahre 1921 noch von dem Namen "St.-Hubertus-Schützenverein" ausging, war zunächst eine Satzungsänderung erforderlich, um den Namen "St. Jakobi-Schützenverein" zu führen.

 

Am 30. November 1948 stellte der provisorische Vorstand beim Amt Rhede den Antrag zur Genehmigung der Satzungsänderung und zur Neuformierung des St. Jakobi-Schützenvereins. Unter dem 7. Januar 1949 wurde der St. Jakobi-Schützenverein "unter Vorbehalt eventueller zukünftiger Gesetzgebung und Entfernung jeglichen Bezugs auf militärische Titel, Gebräuche, Uniformen oder Verfahren genehmigt". Ein reichlich umständliches Verfahren war damit abgeschlossen.

 

An dieser Stelle sei besonders denjenigen gedankt, die als "Männer der ersten Stunde" unverdrossen ans Werk gingen und den Grundstein für das erfolgreiche Weiterbestehen des St. Jakobi-Schützenvereins legten. Es sind dies: Theodor Wanning, Bernhard Rademacher sen. (Deichstraße), Wilhelm Terhardt, Carl Voß, Heinrich Albers, Aloys Bußhaus, Theo Harde und Heinrich Wedding.

 

Mit frohem Mut gingen die Schützenbrüder an die neue Aufgabe. Nach mehreren Vorbesprechungen des provisorischen Vorstands fand am 11. Juni 1949 im Rößingschen Saale eine stark besuchte Generalversammlung statt, auf der der Vorstand und das Offizierskorps gewählt wurden. Neuer Präsident wurde Dr. Karl Hoeck. Insgesamt waren 24 Posten zu beset-zen, was offensichtlich keine Schwierigkeiten bereitete. Auf der Versammlung wurde ebenfalls beschlossen, eine intensive Mitgliederwerbung zu betreiben. Unterstützung fand diese Aktion durch ein von Schützenbruder Albert Bösing verfasstes, plattdeutsches Gedicht mit dem Titel: "Wij bünt noch dor - wej baut wär op", das einem große Kreis Rheder Bürger zusammen mit einem Anschreiben des Vorstandes zugestellt wurde. Der Erfolg dieser Werbemaßnahmen war außerordentlich groß. Bereits Anfang des Jahres 1950 hatte sich die Zahl der Mitglieder auf 280 erhöht.

 

Freudiger Anlass zum ersten gemeinsamen Auftreten der St. Jakobi-Schützenbrüder in der Öffentlichkeit war das 200-jährige Stiftungsfest des Bürger-Schützenvereins Krechting am 3. Juli 1949, an dem der gesamte Vorstand, das Offizierkorps sowie eine stattliche Anzahl von Schützen teilnahmen. Bereits drei Wochen später (24. und 25. Juli) fand unter der Parole "Heimatliebe, Eintracht, Frohsinn" erstmals nach dem Kriege das mit großer Spannung erwartete Schützenfest des Vereins statt. Das Fest wurde in der gleichen Form gefeiert, wie es zuletzt vor dem Krieg üblich gewesen war. Erweitert wurde es diesmal durch ein feierliches Hochamt, das zum Gedächtnis der Gefallenen und Vermissten der ganzen Gemeinde, insbesondere der Mitglieder des Schützenvereins, sowie zu Ehren des Schützenpatrons St. Jakobus in der St.-Gudula-Pfarrkirche zelebriert wurde.

 

Das Vogelschießen am Sonntagnachmittag gestaltete sich zu einem echten Volksfest. Jung und alt waren zugegen, um das erste Schützenfest nach so langer Pause mitzuerleben. Schützenbruder Carl Schüling, dem durch Auslosung die Schankkonzession auf der Festwiese zugefallen war, hatte alles auf das beste vorbereitet. Es ist kaum zu glauben, dass damals für ein Glas Bier 35 Pfg. und für ein "Schnäpsken" 30 Pfg. zu bezahlen waren. Erstmals spielte die "Kapelle Jans Wanning", deren musikalische Auftritte mit dem Ablauf zahlreicher Vereinsfeste der nachfolgenden Jahre eng verbunden sein sollten.

 

In ähnlichem Rahmen verliefen auch die Schützenfeste der Jahre 1950 und 1951

 

Einen markanten Einschnitt in das bisherige Vereinsleben brachte das Jahr 1952, galt es doch in diesem Jahre, das 400-jährige Bestehen des ältesten Rheder Vereins festlich zu begehen. Zum Abschluss einer sinnvoll geplanten und gut vorbereiteten Heimatwoche, die vom Hei-matverein Rhede veranstaltet wurde, fand vom 19. bis 21. Juli das große Jubiläumsschützenfest statt. Höhepunkt dieser Feierlichkeiten war der Festakt auf dem Sportplatz des VfL Rhede, wo sich bei strahlendem Sonnenschein zahlreiche Ehrengäste einfanden, u. a. Vertreter der katholischen und evangelischen Kirchengemeinden, des Kreises Borken, des damaligen Amtes Rhede und des Heimatvereins Rhede. Darüber hinaus nahmen Abordnungen von 16 Schützenvereinen aus der näheren Umgebung teil, die sich dem Jubelverein freundschaftlich verbunden fühlten. Es waren dies in der Reihenfolge des Aufmarsches: Junggesellenschützenverein Rhede, St.-Johannis-Schützenverein Altrhede, St.-Johannis-Schütterei Vardingholt-Spoler, St.-Georgius-Schützenverein Vardingholt-Kirche, Bürger-Schützenverein Krechting, Schützenverein Büngern (seit 1960: St.-Hubertus-Schützengilde), St.-Georgius-Schützenbruderschaft Krommert-Renzelhook, Bauernschützenverein Krommert, Schützenverein Krommert-Enckhook, St.-Hubertus-Schützenverein Rhedebrügge, Allgemeiner Schützenverein Barlo, Junggesellen-Schützenverein Barlo, St.-Georgius-Schützenverein Bocholt, St.-Antonius-Schützenverein Bocholt, St.-Johannes-Männer-Schützenverein Dingden und der Junggesellen-Schützenverein Dingden. Der Chronist spricht in seinem Nachwort die Erwartung aus, dass "der anschließende Festumzug wie auch die Nachfeier im Saale Hengstermann allen Teilnehmern und allen Einwohnern in stets guter Erinnerung bleiben (werden)".

 

Das Jubelfest hatte mit einer Ehrung der früheren Könige und derjenigen Jubilare begonnen, die 40 Jahre und länger dem Verein angehörten. Insgesamt 40 Personen wurden ausgezeichnet. Am dritten Tage des Vereinsjubiläums fand das eigentliche Schützenfest statt, an dem die "Jakobiner" wieder unter sich waren. Nach langem Kampf errang schließlich Theodor Berning die Königswürde. Leider wurde die Festesfreude von einem tödlichen Verkehrsunfall überschattet, als ein Personenwagen kurz vor Beginn des Hauptfestzuges am Montagnachmittag in die Zuschauermenge fuhr. In Anbetracht dieses tragischen Ereignisses nahm der Verein von der Durchführung des Festzuges Abstand.

 

Hatte man nach dem großartigen Jubiläum einen Aufschwung des Vereinslebens erwartet, muss man in der Rückschau sicherlich enttäuscht sein. Wenn auch die anstehenden Feste in der vorgesehenen Weise gefeiert wurden, Versammlungen turnusmäßig stattfanden und Abordnungen zu den Jubelfesten benachbarter Schützenvereine entsandt werden konnten, so ist doch eine gewisse Stagnation nicht zu übersehen. Meinungsverschiedenheiten über die Gestaltung und den Termin der Schützenfeste sowie Streitigkeiten wegen der Höhe der Mitgliederbeiträge tragen auf, die schließlich gar zum Austritt verschiedener Vereinsmitglieder führten. In einer Generalversammlung des Jahre 1954 wurde "bis nahezu Mitternacht" über diese Probleme diskutiert, ehe für alle strittigen Punkte akzeptable Lösungen gefunden waren.

 

Doch bereits zwei Jahre später, im Jahre 1956, kam es zu einer neuen Krise. Die Generalver-sammlung vom 24. März 1956, auf der die gesamten anstehenden Neuwahlen stattfinden sollten, musste abgebrochen werden, weil sich bereits für den ersten zu besetzenden Posten, den des 1. Vorsitzenden, niemand zu einer Übernahme bereit fand. Bei einer weiteren außeror-dentlichen Generalversammlung am 27. Juni 1956 wurde Schützenbruder Franz Belting zum neuen Vorsitzenden gewählt, erklärte jedoch bereits einige Tage später seinen Rücktritt. Wenn auch der Chronist in dieser Situation davon zu berichten weiß, dass "der Verein führerlos" sei, kann er doch im gleichen Bericht darauf hinweisen, dass - nach Einschaltung des Ältestenrates - auf einer weiteren Generalversammlung in verhältnismäßig kurzer Zeit der komplette Vorstand und das Offizierkorps gewählt wurden. Er spricht dabei von dem "Finale der Krise". Neuer Vorsitzender wurde nunmehr Theodor Berning. Das Schützenfest konnte auch in diesem Jahre programmgemäß ablaufen.

 

In die Zeit seiner Präsidentschaft fällt auch die Neuformulierung der Vereinssatzung, welche die noch aus dem Jahre 1921 stammende Fassung ablöste. Am 17. Juni 1959 wurde auf einer Generalversammlung ein entsprechender Beschluss gefasst. Bereits sieben Jahre später wurde eine neuerliche Satzungsänderung erforderlich, da die Schützenbrüder am 22. Januar 1966 einstimmig beschlossen hatten, die Eintragung ins Vereinsregister zu beantragen.

 

Von nun an ging es langsam aber stetig bergauf. "54 Vereinsmitglieder folgten der Einladung zur Jahreshauptversammlung. Eine erfreuliche Zahl nach all den Stürmen im vergangenen Berichtsjahr!" heißt es in der Chronik über die Generalversammlung des Jahres 1957. Bis zum Jahre 1964 leitete Theodor Berning als Vorsitzender den Schützenverein. Ab diesem Jahre übernahm Heinrich Tebrügge die Präsidentschaft. Schützenbruder Theodor Berning wurde in Anbetracht seiner Verdienste um den St. Jakobi-Schützenverein gleichzeitig zum Ehrenpräsidenten ernannt.

 

Die Sommerfeste fanden bis zum Jahre 1962 im Hengstermannschen Saale statt. Nachdem der Saal seit 1963 für derartige Veranstaltungen nicht mehr zur Verfügung stand, musste jeweils ein Festzelt errichtet werden, das in den ersten Jahren auf dem Gildekamp Aufstellung fand. Seit mehreren Jahren wird das Zelt auf dem Kirmesplatz an der Kirchwiese aufgebaut. Die Winterfeste sind seit 1950 ununterbrochen im Saale Rößing gefeiert worden.

 

Das Vogelschießen wurde bis einschließlich 1968 auf einem Platz vor dem Gute Dörbröking veranstaltet. Aus Sicherheitsgründen - die Besiedlung wurde inzwischen auch in diesem Bereich wesentlich dichter - musste ein neuer Platz gefunden werden. Im Jahre 1969 versuchte man sich auf dem Gehöft Büssing-Telaar, ehe man im folgenden Jahr mit dem DJK-Platz ein ideales Gelände fand, wo auch heute noch diese Veranstaltungen reibungslos ablaufen.

 

Die verschärften Sicherheitsbestimmungen führten dazu, dass das Vogelschießen nur noch unter ganz bestimmten Auflagen hinsichtlich der Größe und Beschaffenheit eines Kugelfanges durchgeführt werden durften. In Rhede wurde dieses Problem geradezu vorbildlich gelöst. Unter Beteiligung von vier Rheder Schützenvereinen (St. Jakobi-Schützenverein, Bürgerschützenverein Rhede, Junggesellenschützenverein Rhede und St.-Johannes-Schützenverein Vardingholt-Spoler) wurde eine "Interessengemeinschaft Kugelfang" gegründet, die unter fachkundiger Anleitung in Selbsthilfe einen Kugelfang erstellte, der transportabel ist und in jeder Hinsicht allen Vorschriften entspricht.

 

Zu Beginn der Schützenfestsaison 1972 wurde bei einem Gemeinschaftsfest am 22. April der moderne Kugelfang seiner Bestimmung übergeben. Zahlreiche auswärtige Vereine sind zwischenzeitlich schon dazu übergegangen, dieses Gerät zu ihren jeweiligen Schützenfesten auszuleihen.

 

Ab 1970 wurde das jeweilige Schützenfest um eine ganz besondere Note bereichert. Schon vorher waren im Verein Überlegungen angestellt worden, wie man die Schützenfeste auch für den Vereinsnachwuchs attraktiver gestalten könne. Nach umfangreichen Vorarbeiten konnte im Jahre 1970 erstmalig am Samstagnachmittag vor dem eigentlichen Festtag der "Großen" ein Kinderschützenfest durchgeführt werden, das sich in den folgenden Jahren einer immer größer werdenden Beliebtheit erfreute. Das erste Kinderschützenfest, an dem über 200 Kinder beteiligt waren, sah Heiner Essingholt als König und Marianne Ebbing als Königin, wobei die "Majestäten" - wie auch heute noch üblich - jeweils durch Armbrustschießen und Pfeilwerfen ermittelt wurden. Auch das diesjährige Kinderschützenfest dürfte ein voller Erfolg werden, liegen doch bereits bis zum jetzigen Zeitpunkt mehr als 320 Anmeldungen vor. Ganz beson-derer Dank gebührt in diesem Zusammenhang dem langjährigen Kinderschützenfest-Ausschuss-Vorsitzenden Heinz Viermann.

 

Aber nicht nur um die Kleinen kümmerte sich der Vorstand; auch die Betreuung der Vereinssenioren lag ihm am Herzen. Seit 1972 findet jährlich ein Treffen aller älteren Schützenbrüder statt, zu dem die über 60-jährigen Vereinsmitglieder geladen werden. Im vergangenen Jahre wurde auch hier erstmalig ein Vogelschießen mit der Armbrust durchgeführt. Erster "Seniorenkönig" wurde Hans Steinlein.

 

Die Entwicklung des Vereins in den letzten Jahren ist außerordentlich günstig verlaufen. Die Zahl der Mitglieder stieg auf eine bisher nicht gekannte Höhe von über 360 Personen an. Nicht zuletzt ist es der umsichtigen Führung des jetzigen Präsidenten Heribert Albers und seines Vorgängers Rudolf Büning zu verdanken, dass der traditionsreiche Verein das Jubiläumsjahr in einer so hervorragenden inneren und äußeren Verfassung begehen kann.

 

425 Jahre wechselvoller Vereinsgeschichte sind an uns vorbeigezogen. Die Aufgabenstellung der Schützenvereine hat sich in diesem langen Zeitraum gewandelt. Galt es früher, die Grenzen der Heimat, das Leben und Eigentum ihrer Menschen vor feindlichen Gefahren zu verteidigen, so lautet der heutige Auftrag, den Heimatschutz im Sinne von Heimatliebe, Heimattreue und Brauchtumspflege in den Vordergrund zu stellen. Als verbindendes Element über alle Jahrhunderte hinweg ist das Schützenfest das jahresfest der nachbarlichen Gemeinschaft geblieben.

 

Die Geschichte des St. Jakobi-Schützenvereins hat gezeigt, dass die Prinzipien des Heimatschutzes - wenn auch in abgewandelter Form - unverändert ihre Gültigkeit behalten haben. Die positive Einstellung der St. Jakobi-Schützenbrüder zu diesen Grundsätzen, die heute vornehmlich in der Wahrung und Fortsetzung der alten Rheder Schützentradition sowie in der Pflege der Geselligkeit und Kameradschaft bestehen, lässt darauf schließen, dass der St. Jakobi-Schützenverein auch in der Zukunft erfolgreich weiterbestehen wird.

 

Zeit von 1978-2005

muss noch geschrieben werden.